Interview Prof. Wolfram Weiße - Direktor der Akademie der Weltreligionen

Frage: Herr Prof. Weiße was ist das Besondere an der Akademie?


Sie wird die zentrale akademische Ressource in der Universität Hamburg für den interreligiösen Dialog darstellen. Hier sollen über die Evangelische Theologie hinaus in Forschung und Lehre eine Bearbeitung von theologischen Ansätzen der Weltreligionen möglich machen: In Islam, Judentum, Buddhismus, Alevitentum, Hinduismus.

 

Frage: Welche Ziele sind damit verbunden?

 

Die Universität Hamburg wird durch die Akademie der Weltreligionen in Zukunft internationaler, interkultureller und interreligiöser ausgerichtet sein. Dies entspricht dem Profil Hamburgs und seiner Universität und ist notwendig in Zeiten der Globalisierung.

 

Frage: Wie soll das geschehen?

 

Bestehende Ansätze zum Thema interreligiöser Dialog sind künftig stärker zu nutzen und auszubauen. Dies ist wichtig, damit der interreligiöse Dialog auf einem akademischen Fundament aufbaut, das den Standards westeuropäischer Universitäten entspricht. Außerdem sollen die Vertreter der Weltreligionen, die forschen und lehren, über entsprechende universitäre Qualifikationen verfügen. Und schließlich sollen durch die Arbeit Profile in diesen Weltreligionen entstehen, die dialogisch auch auf andere Religionen und auf den Kontext Europa bezogen sind.

 

Frage: Mit wem kooperiert die Akademie der Weltreligionen?

 

Die Akademie der Weltreligionen basiert auf einer Kooperation von Professoren ganz unterschiedlicher Fächer. Vertreten sind z.B. die interkulturelle und interreligiöse Bildung, die evangelische Theologie, die Soziologie, Politologie, Islamwissenschaft und Buddhismuskunde.

 

Frage: Kooperation mit Islamkundlern gibt es auch an anderen Universitäten...

 

... ja, aber nicht in dieser Vielfalt. In Hamburg kooperieren wir u.a. mit den abrahamitischen Religionsgemeinschaften, aber auch mit dem Hinduismus und Buddhismus. Mit dem "Zentrum für Buddhismuskunde" ist die Kooperation zum Beispiel ganz eng geworden, weil dieses Zentrum exzellent aufgestellt ist und wir in wesentlichen Gebieten durch die Zusammenarbeit profitieren.

 

Zu uns kommen auch Gastprofessoren verschiedener Universitäten wie z.B. St. Petersburg und Bukarest im Osten, Stavanger, Amsterdam, Warwick, aus der Sorbonne, und aus Granada in Mittel- und Südeuropa. Kooperationen gibt es auch mit renommierten Instituten aus Boston, Kapstadt, Jerusalem, Bejing und anderen.

 

Frage: Ist die Imamausbildung in Hamburg ein erster Schritt zur Gleichstellung von Christen und Muslimen?

 

Ja, aber wir werden uns nicht auf eine Imamausbildung in Hamburg konzentrieren. Dies haben sich die Kollegen in Osnabrück vorgenommen, die von der Regierung dafür eine ganze Fakultät für islamische Theologie mit sechs oder mehr Professuren finanziert bekommen. So viele Professuren erwarten wir in Hamburg nicht und es wäre auch falsch, an allen Universitäten dasselbe Profil anzustreben.

 

Frage: Sehen Sie den Dialog der Weltreligionen aus Sicht der ev. Theologie in einer besonderen Verpflichtung? (Sie haben auch ein Vollstudium in Theologie gemacht und sind ehrenamtlicher Pastor)


Ich sehe aus der Sicht aller Religionen eine besondere Möglichkeit, vielleicht sogar eine Pflicht, den Dialog in der Theologie zu installieren. Aus der Sicht evangelischer Theologie können wir auf die Ansätze des evangelischen Professors Hans-Jochen Margull zurückgreifen. Er hat zum Dialog der Religionen geforscht und schon in den 1970er Jahren an internationalen Dialogprozessen mitgewirkt. Margull hat herausgearbeitet, dass es im Kern der evangelischen Theologie angelegt ist, den Dialog mit Menschen anderer Religionen zu suchen. Er ging davon aus, dass die Zusagen Gottes allen Menschen ungeachtet ihrer Religion und Kultur gelten. Im Sinne des Glaubens sei es daher notwendig, auf Menschen anderer Religionen im Dialog zuzugehen und diese nicht auszugrenzen - weder religiös noch sozial. Gleichermaßen sah er alle Religionen als unabgeschlossen und auf Zukunft hin offen an, so dass Weiterentwicklungsprozesse notwendig, ja unvermeidbar seien.


Frage: Sie kennen die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis aus dem Unterricht und auch aus der Hochschule. Wie lassen sich die Klippen beim Dialog am besten umschiffen?

 

Sie sprechen eine wichtige Frage an: Oft sind die Absichten besser als das, was man davon in der Praxis einlöst. Aber ich möchte betonen: Es gibt im Bildungsbereich ganz vielversprechende Formen des Dialogs und eine große Bereitschaft, sich auf den Dialog einzulassen.

 

Frage: Zum Beispiel?

 

Ich sehe z.B. in Hamburger Schulklassen ein ganz großes Potenzial, sich im Religionsunterricht auf einen respektvollen Dialog mit anderen einzulassen, in dem Unterschiede nicht eingeebnet werden und Differenz nicht angstbesetzt ist. Hier findet sich viel von dem, was im theoretischen Bereich mit Dialog konzipiert ist. Hier wird Dialog in der Praxis eingeübt.

 

Frage: Sie meinen den Religionsunterricht für alle?

 

Ja, deswegen bin ich froh und dankbar, dass in Hamburg die Schülerschaft nicht nach Konfession, Religion oder Weltanschauung getrennt ist. Hier kann man Formen des Dialogs erproben und einüben. Und es gibt in Hamburg seit mehr als 15 Jahren Dialogkreise, in denen Vertrauen gewachsen ist, so dass man für den Fall, dass es Auseinandersetzungen gibt, diese durchstehen kann, ohne das dialogorientierte Grundverständnis und die Fortführung des Dialogs in Frage zu stellen. Dies ist ein hohes Gut. Die Akademie der Weltreligionen wird dazu beitragen, dass dieses Gut bewahrt und weiterentwickelt wird.

 

mk (www.kirche-hamburg.de)