Interview zu Vielfalt in der Kirche Ahrens: "Es sieht aus wie ein 'closed shop'"

Frauen auf einem Protest der Black-lives-matter-Bewegung in Washington D.C. "Ally" bedeutet: Eine verbündete Person, die sich für gleiche Bürgerrechte, Gleichstellung der Geschlechter und soziale LGBTQ-Bewegungen einsetzt.

Die Debatte um strukturellen Rassismus infolge der Tötung von George Floyd hat bei Landespastor und Diakoniechef Dirk Ahrens eine große Nachdenklichkeit ausgelöst. Was er reflektiert und wo er Handlungsbedarf innerhalb der Kirche und Diakonie sieht, erzählt er im Interview.

Yvonne Nadler: Der Diskurs rund um Rassismus und Schwarzsein hat durch den Tod von George Floyd und die darauffolgenden Proteste eine neue Dimension und Bedeutung gewonnen, auch hierzulande. Die evangelische Kirche hat sich (noch) sehr zurückgehalten in der Debatte, warum?

Dirk Ahrens: Ich begrüße die Proteste und auch die Debatte. Dass sich Diakonie und Kirche bisher eher zurückhalten, kann ein gutes Zeichen sein: Es geht nicht um ein Strohfeuer und starke Demos, sondern um ein sehr grundsätzliches Befragen unseres eigenen Seins und Handelns. Bei mir jedenfalls hat die Debatte eine große Nachdenklichkeit ausgelöst. Möglicherweise sind wir nicht besonders vorbildlich.

Wie können sich Diakonie und die evangelische Kirche am Protest gegen strukturellen Rassismus beteiligen? Welche Form wäre die geeignete?

Die Wichtigkeit der Debatte auch öffentlich zu unterstützen, ist richtig. Die großen Wortführer können wir aber nur sein, wenn wir unser eigenes Versagen kritisch reflektieren und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Da steht aber überhaupt erstmal eine Analyse an.

Wo und wie zeigt sich struktureller Rassismus in der Diakonie und evangelischen Kirche? 

Das Problem beginnt ja in der Kirche schon damit, dass Mitgliedschaft und Mitarbeitende nicht ansatzweise die Vielfalt unserer Gesellschaft abbilden. Wir leiden zunehmend an unserer Milieu- und Kulturverengung und werden demgemäß weniger. Das ist in der Diakonie besser, was die Menschen betrifft für die wir arbeiten, und auch die Mitarbeitenden sind zunehmend divers in jeder Hinsicht. Auf Ebene der Leitenden sieht das aber leider noch ganz anders aus. Ist das struktureller Rassismus? Auf alle Fälle sieht das aus wie ein „closed shop“.

Was können Kirche und Diakonie gegen diesen Rassismus tun?

Kirche und Diakonie müssen engagiert am Ball bleiben, was den Prozess interkultureller Öffnung betrifft. Dabei geht es nicht nur um die Abwehr von Rassismus, sondern um unsere Existenz. Wir dürfen die Verhältnisse in Kirche und Diakonie nicht schönreden, auch wenn wir schon eine Menge tun. Wir haben einen langen und schweren Lern- und Veränderungsprozess vor uns, der keinesfalls von alleine geschieht. 

Welche Entwicklungen erhoffen Sie sich von der „Blacklivesmatter“-Bewegung?

Ich hoffe, dass Gesellschaft und Kirche sensibler werden und sich auf den notwendigen Lern- und Veränderungsweg einlassen. Das wird nicht funktionieren, so lange es immer die anderen sind, die rassistisch sind. Lassen wir Menschen zu Worte kommen, die Erfahrungen von Herabwürdigung und Unterdrückung gemacht haben. Lernen wir hinzuhören und ernst zu nehmen und unser eigenes Handeln und Reden zu überprüfen.