Die Kleiderkümmerer

Rozas Qualitätskontrolle ist streng

Hamburg - Roza greift sich einen gelben Pullover, streicht ihn auf dem Holztisch glatt, begutachtet ihn. Dann dreht sie ihn herum. Zieht den kleinen Reißverschluss am Rücken auf und zu. „Schönes Material“, sagt sie. „Aber Flecken.“ Sie nimmt den Pullover und wirft in links neben sich in eine Plastiktüte.

Roza, 60, arbeitet im Sortierraum der Kleiderkammer Wilhelmsburg. Die feiert heute mit einem Festakt ihr 30jähriges Bestehen. Das Besondere: Die Kleidung kommt zu den Menschen, per LKW in 18 Hamburger Gemeinden. Gespeist werden die Ladungen aus 120 Sammelcontainern, die ebenfalls größtenteils auf Kirchengrund stehen.

Die Qualitätskontrolle ist streng: Nur jedes fünfte Kleidungsstück schafft es in den Verkauf. Es darf keine Flecken haben, keine Löcher. Stücke, die nicht vor den Augen der Sortiererin bestehen, gehen an ein Hamburger Textil-Recycling-Unternehmen und werden weiterverwertet, zum Beispiel zu Putzlappen.

Pro Stunde 100 Käuferinnen

„Die Käufer achten sehr auf Qualität“, sagt Roza, die an manchen Tagen Ware mit ausfährt. Von Montag bis Donnerstag steuern die Fahrer die Gemeinden in Hamburg an. Die Mitarbeiter packen die Hosen, Jacken und Schuhe aus und breiten sie im Gemeindehaus auf Tischen aus.

Eine Stunde lang ist dann Ausgabe, gegen eine Spende von 50 Cent oder einem Euro pro T-Shirt oder Bettbezug. An Orten wie in Mümmelmannsberg oder am Osdorfer Born kommen zu einem Termin schon mal bis zu 100 Männer und Frauen. Manche sind jede Woche da, denn die Auswahl ändert sich.

Weil die Kleiderkammer Wilhelmsburg von Modeketten wie H & M Restware bekommt, liegen auch modische Teile aus. „Wir haben eine gute Mischung. Aber immer zu wenig Kindersachen“, sagt Norbert Meiburg, 58. Er arbeitet seit 19 Jahren als Betriebsleiter bei der Kleiderkammer.

Am Anfang machten Ehrenamtliche die Arbeit

Meiburg kann sich noch gut an die Anfänge erinnern, als die Kleider in einer Dreizimmer-Wohnung in der Sanitasstraße sortiert wurden. Wer etwas abzugeben hatte, brachte es vorbei. Verkauft wurde im Gemeindehaus. Initiiert hatte das Projekt die Selbsthilfegruppe „Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg“, die sich 1984 in der Emmauskirche der Reiherstieggemeinde gegründet hatte.

Als die Arbeit mit Ehrenamtlichen nicht mehr zu schaffen war, ging das Projekt an einen Beschäftigungsträger. 1997 zog das Projekt in die großen Räume im Veringhof. Seit 2004 gehört es zur gemeinnützigen Passage GmbH.

Ins Rollen kam die Kammer, als das Diakonische Werk 1991 einen LKW und Kleidercontainer spendete. „Zu Beginn stellten wir 15 Container auf und fuhren fünf  Gemeinden an“, erinnert sich Meiburg.

Die Finanzierung ist nicht gesichert

Das Geschäft mit den Klamotten lief gut. In Wilhelmsburg und am zweiten Standort in Wandsbek sind heute 70 langzeitarbeitslose Menschen zwischen 18 und 63 Jahren beschäftigt, als sogenannte Ein-Euro-Jobber. Eine Schneiderei gehört dazu. Und beim benachbarten Projekt „Stoffdeck“ arbeiten die Beschäftigten kreativ mit Stoff.

Trotzdem sei es jedes Jahr wieder ein großes Zittern, wie viele Plätze die Bundesagentur für Arbeit bewilligt, sagt Meiburg. Schon jetzt ist klar, dass es im nächsten Jahr 20 weniger sein werden: „Die Finanzierung wird schwieriger.“

Der Betriebswirt hofft, dass mehr Gemeinden sich bereit finden, Sammelcontainer auf ihre Grundstücke zu stellen. Noch mehr Röcke, Jacken und Pullover sollen ihren Weg nach Wilhelmsburg finden, auch, um sie an den Textilverwerter zu verkaufen - und so Arbeitsplätze wie den von Roza zu sichern.

Sortieren unter Heidi Klums wachsamen Augen

Fertig für die Auslieferung

Norbert Meiburg leitet die Kleiderkammer seit 19 Jahren

Auch Schuhe sind begehrt

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