Diskussion und Meinung Wie umgehen mit der AfD?

Der Kirchenkreis Berlin Mitte hat vor der Bundestagswahl ein Zeichen gegen jede Art von rechtspopulistischem Gedankengut gesetzt.

Wie viele andere Organisationen und Institutionen ringt auch die Kirche derzeit mit einer gesellschaftspolitischen Frage und die Antworten darauf: Wie umgehen mit der AfD? Statements aus der kirchlichen Führungsebene sowie eine Einführung in die Diskussion, lesen Sie hier.

In der Kirche spiegelt sich die Gesellschaft wider – das gilt auch für aktuelle politische Stimmungen und Strömungen. Laut Schätzungen des Publizisten Andreas Püttmann gibt es innerhalb der christlichen Kirchen rund vier Millionen Kirchenmitglieder, die mit der AfD sympathisieren, davon 400.000 aus der kirchlichen Kernklientel.

Volker Münz, religionspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion und Mitglied der Kreissynode und im Kirchengemeinderat in Göppingen ist der Meinung, dass das Programm der AfD „sehr große Schnittmengen mit den christlichen Überzeugungen“ habe und führt Themen wie „Lebensrecht für Ungeborene, die Hilfe für Menschen in Not, die Familie als schutzbedürftiger Kern der Gesellschaft und die Ehe als gottgewollte Verbindung zwischen Mann und Frau“ an. Kernpunkte des AfD-Parteiprogramms sind unter anderem der Wunsch nach Bewahrung der „deutschen Leitkultur“, ein traditionelles Familienbild (auch zur „Erhaltung des Staatsvolkes“), Schließung der EU-Außengrenzen, Abschaffung des Asylgrundrechts, des Gender Mainstreamings oder die Leugnung des Klimawandels.

Widerspruch zu offiziell vertretenen Grundhaltungen

Diese Inhalte sprechen offenbar auch viele konservative Christen an, widersprechen aber deutlich den von den Kirchen offiziell vertretenen christlichen Grundhaltungen. Dass sich hier die Geister scheiden, zeigt eine ganz aktuell im März 2018 erschienenen Broschüre mit dem Titel „Christliches in der AfD“, die der katholische Echter-Verlag veröffentlicht hat. Die Broschüre ist laut Verlagsleiter Thomas Häußer als Provokation gedacht, denn sie hat 32 überwiegend leere Seiten. Der einzige gedruckte Text heißt: „Wir haben recherchiert, und haben herausgefunden: Da gibt’s nichts, gar nichts. Sie können blättern, so viel Sie wollen: Es gibt nichts.“ Die AfD will rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichung prüfen.

Die Frage nach dem Umgang mit der AfD stellt Gemeinden vor viele Fragezeichen. Wie soll man mit Christen in der AfD beziehungsweise mit AfD-Sympathisanten in der Kirche umgehen? Versucht man, zwischen Rechtspopulisten und Rechtsextremisten zu unterscheiden? Braucht es immer wieder Diskussionen? Oder vielmehr eine Verweigerung des Dialogs verbunden mit dem Starkmachen der eigenen Haltung? Führende kirchliche Vertreter haben bereits ihre Meinung öffentlich kundgetan.

Landesbischof Gerhard Ulrich - Copyright: © Arendt Schmolze für NEK
Landesbischof Gerhard Ulrich

Landesbischof Gerhard Ulrich Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland: Unser christlicher Glaube und unsere demokratische Kultur verpflichten uns, uns allen rassistischen und antisemitischen Tendenzen entgegen zu stellen. (…) Wir leben in einer Gesellschaft, in der Vielfalt zum Merkmal wird. Den Menschen, denen diese Vielfalt Angst macht, darf man keine einfachen Antworten versprechen, einfache Antworten, die es nicht geben kann, auch wenn Populisten dies immer wieder versprechen. (Link zum Beitrag auf evangelisch.de)

Annette Kurschus - © EKvW - Copyright: EKvW
Annette Kurschus, Präses der Ev. Kirche von Westfalen und stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD

Annette Kurschus, Präses der Ev. Kirche von Westfalen und stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD: Wer Rassismus christlich verbrämt, pervertiert die Botschaft Jesu. Die Diffamierung von allem, was nicht deutsch ist, lässt sich mit unserem Verständnis des christlichen Glaubens nicht vereinbaren. (…) Ich würde das Gespräch mit einem solchen Menschen suchen und ihm ganz klar sagen, dass ich es für unmöglich halte, bei uns ein kirchliches Amt zu übernehmen, weil es gegen das Evangelium ist. (…) Wenn jemand Christ ist und trotzdem die AfD wählt, müssen wir uns damit auseinandersetzen. Ich möchte gerne wissen, was Menschen dazu treibt. (Link zum Beitrag auf domradio.de)

 

Markus Dröge - © ekd.de - Copyright: ekd.de
Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: Ich kann mich als Christ nicht in einer Partei engagieren, die Ängste dramatisiert, Misstrauen sät und Ausgrenzung predigt. (Link zum Beitrag auf domradio.de)

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm - Copyright: ekd.de
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm

Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD: Der Einzug der AfD in den Bundestag sei ein „Weckruf für alle, denen das friedliche und solidarische Miteinander in einem weltoffenen Deutschland am Herzen liegt“. Ausgrenzende und hasserfüllte Stimmen dürften „nicht das Leben in unserem Land vergiften“. Wer rassistische oder antisemitische Thesen vertritt, hat aus Sicht von EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm in einem evangelischen Kirchenvorstand nichts zu suchen. Parteipolitik dürfe nicht in die Kirche hineingetragen werden.

Die Kirche müsse sich klar abgrenzen von rechtsextremen Positionen. Sie solle aber durchaus Sorgen und Bedenken insbesondere solcher AfD-Anhänger wahrnehmen, die sich vorher dem traditionellen Parteienspektrum zugehörig fühlten. Es sei zu klären, ob diese Menschen geschürten Ängsten aufsäßen oder ob sie sich aufgrund konkreter Anlässe aus dem eigenen Lebensumfeld zur AfD hingezogen fühlten. (Link zum Beitrag auf domradio.de und Link zum Beitrag auf ekd.de)

Propst Hans-Jürgen Buhl ist zuständig für die Propstei Rahlstedt-Ahrensburg im Kirchenkreis Hamburg-Ost - Copyright: Kirchenkreis Hamburg-Ost
Propst Hans-Jürgen Buhl ist zuständig für die Propstei Rahlstedt-Ahrensburg im Kirchenkreis Hamburg-Ost

Hans-Jürgen Buhl, Propst und Vorsitzender des Kirchenkreisrats: Was mir dieser Tage fehlt, ist eine differenzierte Auseinandersetzung zu  gesellschaftspolitischen Fragen. Gern werden provozierende und plakative Äußerungen gemacht, um dem politischen Gegenüber ja nicht etwas zuzugestehen. So ist auch die „AfD“ hauptsächlich durch unsägliche Parolen in der Öffentlichkeit aufgefallen. Ihr Wahlprogramm, das vermutlich wenig Menschen überhaupt gelesen haben, enthält Unklares und Reaktionäres. Das findet man auch bei anderen Parteien, genau wie öffentliche Äußerungen, die nicht durch das Programm abgedeckt sind. Beim Kirchentag in Berlin 2017 sagte eine AfD-Politikerin: Statt sich um die Verbreitung des Glaubens zu kümmern, übernehme die Kirche die Rolle eines politischen Spielers und mische sich in staatliche Angelegenheiten ein. Der Kirchentag erinnere an einen Parteitag der Grünen. Es  werde viel über Politik, aber wenig über das Evangelium geredet. Ähnliches habe ich in den vergangenen Jahrzehnten oft von christlichen Gruppierungen gehört, denn Fundamentalisten gibt es überall. Problematisch sind doch die Rattenfänger mit ihren menschenverachtenden Sprüchen, denen eine Rotte erst zujubelt und die dann das Recht selbst in die Hand nehmen will. Da liegen für Christinnen und Christen die Grenzen des Dialogs. Aber davor müssen wir reden! Um eine Debatte mit Pegida, AfD, welchen Gruppierungen auch immer zu führen, müssen wir Antworten auf folgende Fragen haben: Warum stellt sich unsere Gesellschaft schützend vor „Fremde“? Was unternimmt unsere Gesellschaft zum Schutz anderer Ausgegrenzter? Warum sind gesellschaftspolitisches Engagement und christliches Leben miteinander verbunden?