Eine Bildbetrachtung zu Weihachten

Aus dem Gemeindebrief 04/2016

Sie liegt da sehr entspannt: ein Bein über das andere geschlagen, leicht auf den Ellenbogen gestützt, die rechte Hand untätig gelassen. Sie schaut und lässtsich anschauen. Sie hat Ausstrahlung, einen heiligen Schein. Ebenso ruhig schläft das Kind, den Kopf fast in ihrer Armbeuge. Der Atem der Tiere, Ochse und Esel, wird das Kind, auf das sie aufmerksam schauen, wärmen.

Es ist eine heilende Szene, wie wir sie Weihnachten suchen, ein Inbild, das, wenn wir es betrachten, etwas gut sein lässt, und zwar obwohl wir uns streiten, der Beruf uns monströse Sorgen macht oder wir wieder so einsam, leer und fühllos sind.

Es ist ja auch gar nicht alles gut. So gelassen liegt Maria im Bruch des Lebens. Es tut sich um sie herum die Erde als Höhle auf, brüchige Ränder, Felsplatten, die aussehen, als könnten sie jederzeit herabfallen. Der Mann Joseph strahlt zwar auch etwas aus, aber trotz des Heiligenscheins ist es eher Müdigkeit. Er stützt seinen Kopf in die Hand, wirkt erschöpft und als fände er trotz der Erschöpfung vor Sorgen keinen Schlaf. Die Sorgen erklärt sein Blick auf die lächerlich kleine Herberge, in der sie keinen Platz hatten, er musste Frau und Kind in einen Viehunterstand bringen, und das Kind haben sie in einen Futtertrog gelegt. Notdürftig.

Ihn plagen die Sorgen, sie entspannt sich in gelassener Schönheit. Wie kommt das?

Nun, sie ahnt etwas, eine Ahnung trifft sie wie die Strahlen, die vom Stern am Nachthimmel ebenso ausgehen wie von der bewegten Zuwendung der Engel. Die Strahlen sind wirklich eine Ahnung, denn sie dringen noch nicht durch den Erdenfels zu ihr, aber die Ahnung reicht ihr wohl schon zur Gelassenheit. Was sie ahnt: Dass dieses Kind Gott-Bei-Uns ist, dass er nicht aufhören wird da zu sein, im Glück nicht und in der Mutterliebe und im Sterben auch nicht. Seinen Heiligenschein durchzieht ein Kreuz und die Höhle ist auch eine Vorahnung des Grabes. Joseph ahnt noch nichts.

Warum sitzt und liegt dieses Paar gerade so nebeneinander? Siestehen für beides, was wir an Weihnachten kennen: die schlaflose Verzweiflung am Bruch des Lebens und die Ahnung, dass es gut werde, wenn uns Gottes Lebenskraft so nahe kommt wie ein Kind, das Kind in diesem Bild und in dieser Geschichte. Vielleicht können wir uns vorstellen, dass Marias Fußspitze ihren Joseph leicht antippt und er aufsieht, so wie auf der anderen Seite des Berges der Hirte aufsieht, den der Engel auch aus einer dürftigen Lebenslage herausruft: „Ich verkündige Euch große Freude! – Kurz gesagt: Da ist ein Kind, ein Neugeborenes, und da ist Gott bei Euch.“

Wir versuchen oft, aus Weihnachten, diesem Fest, mehr zu machen als eine Ahnung. Das ist dann auch schön. Gelegentlich wird es aber auch genauso betrüblich, wie Joseph da sitzt.

Schauen wir die Frau an, die sich anschauen lässt in ihrer Gelassenheit, die Gottesmutter, und erkennen wir einen weihnachtlichen Augenblick lang, wie eine Ahnung, ein Glauben, ein Anvertrauen alles sein kann.

Eine gute Adventszeit und ein gesegnetes Weihnachtfest!

Ihr Pastor Dr. Kord Schoeler