Fachliche Gutachten zur bisherigen Orgel

[...]. Zinkpfeifen von minderer Qualität sowie extreme Mensuren fallen ins Auge und Ohr. Das Gemshorn 8’ ist sehr leise, Gedeckt 4’ und Quintade 8’ produzieren starke Nebengeräusche. Die Intonation des Prinzipal 2’ ist als grob zu bezeichnen [...], das Regal 8’ klingt unintoniert, die Posaune 16’ klingt metallisch und scheppernd. Die Deckel des Gedackt 8’ sind lose und verrutschen.

Das Instrument ist im höchsten Maße unbefriedigend [...]. Vielmehr ist es die zeittypische Bauweise der Orgel mit Taschenladen und elektropneumatischer Traktur [...]. Ferner ist das Material der Pfeifen aus der Nachkriegszeit von minderer Qualität und verspricht keine Möglichkeiten der klanglichen Verbesserung. Ein Umbau der Orgel wäre reine Flickschusterei, da die elektrische Traktur konstruktionsbedingt beibehalten werden müsste.

Dr. Joachim Walter, Orgelsachverständiger


Die Orgel befindet sich aufgrund mangelhafter Bausubstanz und starker Verschleißerscheinungen in einem sehr schlechten Zustand. [...] das Instrument ist nicht erhaltenswert, deshalb lohnen sich keine Investitionen, die einen längerfristigen Bestand der Orgel sichern könnten.

Zu empfehlen ist der Bau einer neuen, für den Raum angemessenen mechanischen Orgel mit etwa 15-20 Registern, verteilt auf zwei Manuale und Pedal.

Kirchenmusikdirektor Hans Martin Petersen, Orgelsachverständiger


Die Orgel(n) der Stellinger Kirche

  • 1908 Bau der ersten Kirche in Stellingen. Sie erhält eine Orgel der renommierten dänischen Firma Marcussen.
  • 1943 Zerstörung von Kirche und der Marcussen-Orgel durch einen Luftangriff
  • 1953 - 1955 Neubau der Stellinger Kirche und Einbau einer neuen Orgel mit 27 Registern auf drei Manualen und Pedal durch die Firma Kemper aus Lübeck.
    Die gesamte Orgel spiegelt den Versuch wieder groß, schnell und zu einem möglichst niedrigen Preis zu bauen. Dazu reduzierte die Firma Kemper die Kosten durch den Einsatz minderwertiger Materialien wie Legierungen aus Zink statt Zinn für Metallpfeifen, Kunststoffe statt Leder, Sperrholz statt Massivholz.
    Technische Probleme wegen der niedriegen Deckenhöhe bei der Anordnung der Pfeifen wurden durch eine elektropneumatischen Spielanlage umgangen. Statt eines schützenden Gehäuses erhielt die Orgel einen Freipfeifenprospekt. Dafür wurden die Schallbecher der Zungenstimmen zum Teil auf die Hälfte der notwendigen Länge gekürzt, was sich negativ auf den Klang auswirkt.
    Mangelnde Sorgfalt bei der Planung der Pfeifenmaße und der Intonation der Pfeifen geben der Orgel einen zu lauten und vor allem in der Höhe aggressiven Klang.
  • 1990 Vergeblicher Versuch durch eine Orgelbaufirma, die Zungen-Register der Orgel zu überarbeiten und klanglich zu verbessern.
  • Folgejahre Nach und nach treten immer wieder kleinere Mängel wie „Heuler“ auf, die durch den Orgelbauer beseitigt werden müssen.
  • 2010 Mängel häufen sich.
  • 2011 Erstellung eines ersten Gutachtens durch den Orgelsachverständigen Dr. Joachim Walter. Test einer Digitalorgel als mögliche Zwischenlösung in einer Konzertreihe
  • 2012 Zweites Gutachten durch den Orgelsachverständigen Kirchenmusikdirektor Hans Martin Petersen. Prüfung, ob die Kemper-Orgel durch eine Gebrauchtorgel ersetzt werden kann.
    Der Versuch, die alte Orgel durch eine gute Gebrauchtorgel zu ersetzen erwies sich als Sackgasse, da dies einen sogennanten „technischen Neubau“ erfordet hätte, um das Instrument den örtlichen Gegebenheiten anzupassen und den Auflagen des Denkmalschutzes zu entsprechen. Das Einsparungspotential wäre nur gering gewesen, aber ohne die Möglichkeit, das Klangkonzept der Orgel bestimmen zu können.
  • 2013 Nach abschließender Beratung Entscheidung für Neubau
  • 2013-2014 Vorbereitung einer Ausschreibung durch
    - Bildung eines Orgelbau- und eines Fundraisingausschusses
    - Prüfung von Referenzinstrumenten von Orgelbaufirmen aus Deutschland, Schweiz und den Niederlanden
    - sowie historischen Orgeln
    - Informationsgespräche mit den verantwortlichen Sachverständigen und Organisten
    - Gespräche mit den Orgelbauern und Werkstattbesichtigungen
    - Erarbeitung eines Gestaltungsrahmens mit dem Denkmalschutzamt
    - Erarbeitung einer Ausschreibung mit Musterdisposition
  • 2015 Vorauswahl von drei der besuchten Firmen und Ausschreibung
  • 2016 Entscheidung für Claudius Winterhalter Orgelbau