Gott: Jemand, der Nähe ausdrückt
Raun: Universum, Schicksal, Kraft, Energie – es gibt viele Begriffe für das, was Menschen als etwas Größeres erfahren. Sie bleiben beim Wort Gott. Warum?
Simon Jungnickel: Zunächst einmal: Ich finde es völlig legitim, wenn jemand das nicht Gott nennt. Manche sagen „Schicksal“, andere „Universum“ usw. Das kann stimmig sein. Ich halte an „Gott“ fest, weil ich glaube, dass gerade in der christlichen Tradition etwas Befreiendes steckt. Wenn man sich z.B. die Psalmen anschaut, sind wir nicht von einer anonymen Macht bestimmt, sondern von einem Gegenüber, das uns anspricht.
Raun: Aber wenn ich „Universum“ oder „Kraft“ sage, ist das nicht einfach nur ein anderes Wort?
Jungnickel: Nicht ganz. Wenn jemand „Universum“ oder „Kraft“ sagt, dann bleibt das für mich ein abstrakter Begriff – etwas Wirksames, das alles durchzieht, aber ohne Beziehung. Im christlichen Horizont ist Gott mehr: Er ist nicht nur eine Kraft, sondern ein Gegenüber. Wir sprechen ihn an, bitten, danken, klagen. Und das bekommt fast zwangsläufig personale Züge – denn wir beten ja nicht zu etwas, sondern zu jemandem.
Raun: Also ist die eigentliche Frage: Ist Gott etwas oder jemand? Und ob wir uns Gott als eine Person vorstellen sollen?
Jungnickel: Ja – auch wenn es theologisch schwierig bleibt, die Frage zufriedenstellend zu klären. Aber: Auf einem Konfirmanden-Camp haben wir die Jugendlichen ihre Gottesbilder malen lassen. Da kam einiges vor: Himmel, Lichter – und natürlich auch der alte weiße Mann auf der Wolke,- aber viel häufiger doch ein Gott mit personenhaften Zügen, einer der umarmt, der die Hand reicht. Jemand, der Nähe ausdrückt.
Raun: Wir kommen also nicht umhin, uns Gott als ein Gegenüber, als Person vorzustellen?
Jungnickel: Es scheint uns Menschen kaum möglich, Gott nicht so zu denken. Zumindest im Gebet wenden wir uns schon allein durch die Ansprache an ein Gegenüber.