04.08.2025
Vielfalt ist Segen

Kirche Hamburg beim CSD: Flagge zeigen für queere Menschen und Vielfalt

Menschen auf dem CSD-Truck der Kirche Hamburg

Ein Zeichen von Liebe und Bekenntnis

Die größte CSD-Demonstration der Hamburger Geschichte – und die Ev.-Luth. Kirche war mittendrin. Was das für die Menschen in und außerhalb von Kirche bedeutet hat. 

Am Samstag, 2. August, gab es die „größte CSD-Demo der Hamburger Stadtgeschichte“, so der Sprecher des Vereins Hamburg Pride, Manuel Opitz: 260.000 Teilnehmende setzen ein Zeichen für Vielfalt und Akzeptanz. Unter dem Motto „Wir sind hier, um zu bleiben. Queere Menschen schützen“ war die Demonstration auch ein wichtiges Statement in einer Zeit, in der sich immer mehr queere Menschen verbaler wie körperlicher Gewalt ausgesetzt sehen. 

„Queerness verliert etwas an der Selbstverständlichkeit, die hart erkämpft wurde“, beobachtet auch Pröpstin Anja Botta mit Sorge. Umso wichtiger war die Präsenz der Ev.-Luth. Kirche in Hamburg an diesem Tag – unter anderem mit Truck auf der Parade und Segensort vor der Hauptkirche St. Petri. Marco Tripmaker, Leitung der Kommunikation im Kirchenkreis-West/Südholstein, teilt hier seine Eindrücke direkt vom Truck. Die Redaktion von kirche-hamburg.de hat dem Segensort einen Besuch abgestattet.
 

Kirche tanzt mit: Mit dem Truck auf dem Hamburger CSD

Menschen tanzen auf dem CSD-Truck der Kirche Hamburg

von Marco Tripmaker

Gleich vorweg: Es ist mein erstes Mal auf einem Truck – bei irgendeiner Art von Parade. Und natürlich bin ich völlig unvorbereitet: keine Sonnencreme, keine Sonnenbrille und vor allem – keine Ohrstöpsel. Gut, dass Lukas Brinkmann, Referent der Nordkirche und einer der Organisatoren, eine Großpackung dabei hat. Sonst wäre ich vermutlich heute taub.

Der Beat auf dem Oberdeck geht direkt in den Bauch. Neben mir tanzen Kolleginnen und Kollegen aus allen möglichen Arbeitsbereichen der Kirche. Es wird gewunken, gejubelt, gelacht. Mitten im Geschehen: Nordkirchen-Präses Anja Fährmann und Pröpstin Carolyn Decke – beide sichtbar begeistert. Als Fährmann zum Mikro greift und ruft: „Ich bin heute hier, weil wir als Evangelische Kirche dafür stehen wollen, dass die Würde eines jeden Menschen unantastbar ist. Un-an-tastbar!“, brandet Applaus aus der Menge auf. Gänsehautmoment.
 

Heute geht es nur um Vielfalt, Lebensfreude, Haltung

Menschen stehen am Fenster und winken zum CSD

Unter meinen Füßen schwankt der Truck, umgeben von tausenden Menschen, die geschmückt mit Glitzer, Farben und Federn, Hamburg an diesem Samstag zu einem Regenbogen-Land machen. Die Sonne bricht durch die Wolken, Freiheit liegt in der Luft, jeder und jede kann einfach nur sein. Vor allem aber: Es ist friedlich. Keine Trinkgelage. Kein Krawall. Nur: Vielfalt, Lebensfreude, Haltung. Und mittendrin unser Wagen. Geschmückt mit Regenbogenflaggen, Seifenblasen und Segensbannern.
 

Gemeinsam im Takt der Menschenrechte

Nordkirchen-Präses Anja Fährmann und Pröpstin Carolyn Decke beim CSD

Gestartet sind wir in der Lübecker Straße – voller Spannung und Vorfreude. Der Truck rollt an, der Sound hämmert aus den Boxen, erste Tanzschritte auf dem Dach. Und dann, nach einer guten halben Stunde Fahrtzeit, kommt einer der emotionalsten Augenblicke: Wir passieren das Haus des Kirchenkreises Hamburg-Ost am Steindamm. Komplett in Regenbogenfarben gehüllt. An den Fenstern und auf dem Bürgersteig: Kollegen und Kolleginnen, winkend, strahlend, applaudierend. Wir winken zurück. Viele auf dem Truck haben, wie ich, Gänsehaut. Kirche, wie ich sie mir wünsche: offen, klar, begeistert.

Dieser Truck war kein buntes Accessoire. Es war ein bewusstes, klares Bekenntnis: nach außen, aber auch nach innen. Gegen Queerfeindlichkeit, für Respekt. Und für die eigene Belegschaft: Wir meinen es ernst. An diesem Tag hat die Ev.-Luth. Kirche in Hamburg Flagge gezeigt. Nicht still, nicht symbolisch, sondern mit allem, was dazugehört: Musik, Gesprächen, Transparenten und echter Haltung. Ost und West gemeinsam, Leitung und Basis, Haupt- und Ehrenamt. Alle auf einem Truck, im Takt der Menschenrechte.
 

Beide Kirchenkreise engagieren sich über die Parade hinaus für queere Sichtbarkeit. Beide sind beispielsweise Mitglied der Initiative Welcoming Out

Segen to go vor der Hauptkirche St. Petri

Pastor Sieghard Wilm vor einem Banner mit Jesus

von Christian Schierwagen

Geplant war eigentlich ein Segenszelt, erzählt mir Pastor Sieghard Wilm, der sich vor dem strömenden Regen unter einem überaus passenden Regenbogenschirm schützt. Viele hätten sich wahrscheinlich über ein trockenes Zelt an diesem Tag gefreut, aber ein persönlicher Segen wärmt mindestens genauso sehr.

Die Pop-Up-Church zum CSD direkt vor der Hauptkirche St. Petri – und damit mitten im lauten Geschehen – hat Tradition, vor drei Jahren wurde sie das erste Mal von KonsulT, dem Konvent schwuler und lesbischer Theologinnen und Theologen der Nordkirche, ins Leben gerufen. „KonsulT heißt an diesem Tag übrigens KonQueer“, erklärt mir der Pastor im Gespräch. „Wir kämpfen seit 30 Jahren für queere Persönlichkeiten in der Nordkirche, egal ob schwul, lesbisch, transgender oder nichtbinär.“ 
 

„Die Menschen sind dankbar, dass wir hier sind und ein Zeichen setzen“

Pastor Volker Simon auf dem CSD vor der Hauptkirche St. Petri

Mittendrin wollte man ein Angebot machen, ins Gespräch kommen und Segen anbieten. Inzwischen sind die Nordkirche und die Ritualagentur st. Moment ebenfalls dabei, unter anderem vertreten durch Volker Simon, Pastor im Stadtteil Hoheluft. Wie fühlt es sich an, mitten auf dem CSD Segen zu verteilen? „Wunderschön“, antwortet er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Die Menschen sind so dankbar dafür, dass wir hier sind als Kirche, dass wir ein Zeichen setzen.“

Zunehmend würden queere Menschen angefeindet, auch aus der Mitte der Gesellschaft heraus, beschreibt Simon seine Wahrnehmung der aktuellen Entwicklungen. „Da müssen wir als Kirche uns ganz klar an die Seite der queeren Menschen positionieren und für sie einstehen.“ Mit Blick auf die Vergangenheit ist Pastor Wilm diese klare Haltung besonders wichtig: „Wir haben auch eine Schuldgeschichte gegenüber queeren Personen und deswegen ist es so wichtig, uns als offene und diverse Kirche zu zeigen.“

Ein Zeichen von Liebe und Bekenntnis

Eine Dreiergruppe stellt sich vor Pastor Simon, um einen Segen abzuholen. Was hat sie hierhin geführt? „Ich habe schon oft davon gehört, aber es bisher nie hierhergeschafft und dachte mir: Heute muss es mal sein“, antwortet einer aus der Gruppe. Für ihn bedeutet ein Segen vonseiten der Ev.-Luth. Kirche vor allem eins: Zuspruch. „Beim Thema Queerness gibt und gab es in der Evangelischen Kirche Konflikte. Deswegen finde ich es umso wichtiger, diesen Zuspruch zu erhalten.“

Auch der Truck sei in seinen Augen ein wichtiges und starkes Zeichen – genauso, wie pastorale Personen in Talar auf der Straße am CSD zu sehen. „Dass ihr hier und ansprechbar seid, allein das ist so viel wert, weil es in der Community immer noch so viele gibt, die gegenüber der Kirche kritisch sind. Aus guten Gründen, mit Blick auf ihre Vergangenheit. Da ist ein öffentlicher Segen ein starkes Zeichen von Liebe und Bekenntnis.“
 

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