Christian Schierwagen: Wie wichtig ist der Glaube in eurem Alltag?
Gerd: Ich selbst war lange Zeit kein Mitglied der Kirchengemeinschaft, erst vor einigen Jahren habe ich mich wieder bewusst dafür entschieden. Bei Jörg ist der christliche Hintergrund gefestigter, ich bin damals eher mitgeschwommen.
Ich finde, Glaube ist wichtig und gibt uns Halt im Leben, gerade in schwierigen Zeiten. Vor zwei Jahren bin ich an Lungenkrebs erkrankt – den ich zum Glück besiegen konnte. Damals war ich beim Krebsgottesdienst in der St. Petrikirche. Ich fühlte mich dort so aufgefangen von der Pastorin, die damals die richtigen Worte zur richtigen Zeit gefunden hat. Das hat meine Verbindung zum Glauben nachhaltig gestärkt.
Christian: Was bedeutet es für euch, beim CSD dabei zu sein?
Jörg: Ich habe mich gefragt: Wie kann man eine große Organisation wie die Diakonie auf dem CSD sichtbar machen? Jetzt werden Gerd und ich gemeinsam auf dem Truck der Ev.-Luth. Kirche sein und dort möchte ich eine Botschaft aussenden: Diakonie – und Kirche – kann natürlich auch queer sein und das gehört ganz selbstverständlich dazu.
Der CSD ist schließlich immer noch eine Demonstration für unsere Rechte, die immer stärker unter Druck geraten. Immer öfter werden queere Menschen auf der Straße angegriffen, auch in Hamburg. Gerade deswegen müssen wir vor Ort sein und rechten Gruppen zeigen, dass sie keine Chance haben.
Gerd: Und wir dachten, diese Zeit läge hinter uns. Wir sind eine Generation, da war Schwulsein ein Tabuthema. Als mir während der Pubertät klar wurde, wohin die Reise geht, konnte ich mit meinen Eltern nicht darüber reden, das war undenkbar. Das Tema war so mit Angst besetzt und nun merkt man, dass sich die gesellschaftliche Stimmung wieder in genau diese Richtung bewegt.
Christian: Was wünscht ihr euch für den diesjährigen CSD?
Jörg: Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht, aber da ist noch Luft nach oben. Der CSD ist eine große Veranstaltung und weil es auf solchen in den letzten Jahren immer wieder auch zu Anschlägen kam, verbinde ich ihn auch mit Angst. Man setzt sich Gefahr aus. Aber gerade deshalb müssen wir präsent sein. Wenn sich alle der Angst hingeben würden, könnten wir die Parade auch abschaffen. Es ist wichtig, dabei zu sein – und das mit Freude.
Gerd: Wir leben in einer Zeit, in der so viele seltsame Signale gesendet werden. Zum Beispiel die Entscheidung, keine Regenbogenfahne am Bundestag zu hissen. Da stand absolut keine Not hinter, trotzdem wurde es getan. Auch dagegen müssen wir ein Zeichen setzen.