31.07.2025
Vielfalt ist Segen

Queere Menschen in der Kirche: Jörg und Gerd über Glaube, Liebe und Sichtbarkeit

Jörg und Gerd vor der Billwerder Bucht mit Hund Percy

Ein Zeichen der Vielfalt

Seit 23 Jahren sind Jörg und Gerd ein Paar. Auf dem diesjährigen CSD stehen sie auf dem Truck von Kirche Hamburg. Warum es gerade in diesen Tagen so wichtig für die beiden ist, ein Zeichen als queeres gläubiges Paar zu setzen.

Das Altenwohnheim der Diakoniestiftung Alt-Hamburg, direkt an der Billwerder Bucht gelegen, ist nicht nur ihr Arbeitsplatz, sondern auch ein Ort, der für Einrichtungsleiter Jörg Wisotzki und sein langjähriger Partner Gerd vieles bedeutet. An diesem grauen Tag empfangen uns die beiden gemeinsam mit Hund Percy im lichtdurchfluteten Foyer. Sie haben Tickets für den Truck der Evangelischen Kirche beim diesjährigen CSD am Samstag, 2. August, gewonnen – ein guter Anlass für ein Gespräch über Liebe, Glaube und die Bedeutung von Sichtbarkeit.

„Wir dachten, diese Zeit läge hinter uns“

Christian Schierwagen: Wie wichtig ist der Glaube in eurem Alltag?

Gerd: Ich selbst war lange Zeit kein Mitglied der Kirchengemeinschaft, erst vor einigen Jahren habe ich mich wieder bewusst dafür entschieden. Bei Jörg ist der christliche Hintergrund gefestigter, ich bin damals eher mitgeschwommen. 

Ich finde, Glaube ist wichtig und gibt uns Halt im Leben, gerade in schwierigen Zeiten. Vor zwei Jahren bin ich an Lungenkrebs erkrankt – den ich zum Glück besiegen konnte. Damals war ich beim Krebsgottesdienst in der St. Petrikirche. Ich fühlte mich dort so aufgefangen von der Pastorin, die damals die richtigen Worte zur richtigen Zeit gefunden hat. Das hat meine Verbindung zum Glauben nachhaltig gestärkt.

Christian: Was bedeutet es für euch, beim CSD dabei zu sein?

Jörg: Ich habe mich gefragt: Wie kann man eine große Organisation wie die Diakonie auf dem CSD sichtbar machen? Jetzt werden Gerd und ich gemeinsam auf dem Truck der Ev.-Luth. Kirche sein und dort möchte ich eine Botschaft aussenden: Diakonie – und Kirche – kann natürlich auch queer sein und das gehört ganz selbstverständlich dazu.

Der CSD ist schließlich immer noch eine Demonstration für unsere Rechte, die immer stärker unter Druck geraten. Immer öfter werden queere Menschen auf der Straße angegriffen, auch in Hamburg. Gerade deswegen müssen wir vor Ort sein und rechten Gruppen zeigen, dass sie keine Chance haben.

Gerd: Und wir dachten, diese Zeit läge hinter uns. Wir sind eine Generation, da war Schwulsein ein Tabuthema. Als mir während der Pubertät klar wurde, wohin die Reise geht, konnte ich mit meinen Eltern nicht darüber reden, das war undenkbar. Das Tema war so mit Angst besetzt und nun merkt man, dass sich die gesellschaftliche Stimmung wieder in genau diese Richtung bewegt.

Christian: Was wünscht ihr euch für den diesjährigen CSD?

Jörg: Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht, aber da ist noch Luft nach oben. Der CSD ist eine große Veranstaltung und weil es auf solchen in den letzten Jahren immer wieder auch zu Anschlägen kam, verbinde ich ihn auch mit Angst. Man setzt sich Gefahr aus. Aber gerade deshalb müssen wir präsent sein. Wenn sich alle der Angst hingeben würden, könnten wir die Parade auch abschaffen. Es ist wichtig, dabei zu sein – und das mit Freude.

Gerd: Wir leben in einer Zeit, in der so viele seltsame Signale gesendet werden. Zum Beispiel die Entscheidung, keine Regenbogenfahne am Bundestag zu hissen. Da stand absolut keine Not hinter, trotzdem wurde es getan. Auch dagegen müssen wir ein Zeichen setzen.
 

Glaube und Queerness sind keine Gegensätze

Christian: Vielfach wird angenommen, Glaube und Queerness passen nicht zusammen – was sagt ihr solchen Menschen?

Gerd: Macht die Augen auf und schaut euch das Leben in den Kirchengemeinden an. Schaut auf eure Mitmenschen. 

Jörg: Alle Menschen – queer oder nicht – sind Teil von Gottes Schöpfung. Wir sind gewollt, kein Gendefekt oder etwas, was man therapieren müsste. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir sichtbar sind und unsere Geschichten erzählen, damit die Menschen unsere Perspektive begreifen und annehmen können. 

Christian: Wie erlebt ihr die Kirchengemeinde St. Thomas als queeres Paar?

Gerd: Ich erlebe sie als offen und einfach schön. Rothenburgsort mag den Ruf haben, für queere Menschen nicht offen zu sein, das kann ich aber selbst nicht bestätigen, ich fühle mich aufgehoben und aufgefangen hier. Wenn ich über den Marktplatz gehe, erkennen uns die Menschen, sei es durch den Hund oder weil sie wissen: Das ist das schwule Paar, dass das Altenwohnheim führt. Ich gehe stolz durch diesen Ort und ich glaube, das darf ich auch.
 

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