Schierwagen: Welche konkreten Aktivitäten und Initiativen finden hier statt?
Lühmann: Wir glauben fest an die Kraft regelmäßiger Begegnungen, denn aus flüchtigen Kontakten können tiefe Beziehungen entstehen, Verbundenheit und Vertrauen gedeihen. Aus diesem Grund haben wir im vergangenen Jahr den Bauwagen bei Wind und Wetter an 53 Donnerstagen zum Treffpunkt gemacht.
Das Besondere an diesen Donnerstagen ist, dass jeder Tag anders abläuft, voller Geschichten, Anekdoten und Erlebnisse. Dadurch nehmen sich alle in ihrem Alltag mit, das fördert das Verständnis füreinander, es entstehen Beziehungen, die womöglich auf den ersten Blick gar nicht denkbar waren. Diese Treffen werden von ehrenamtlichen Seelsorgenden begleitet. Das „Netzwerk Seelsorge & Nachbarschaft“ des Kirchenkreises ist zentraler Bestandteil des Bauwagen-Projekts. So wächst Raum auch für tiefere Begegnungen und Gespräche, für alle Gefühlslagen.
Insgesamt geht es nicht nur um das Bauwerk aus Ziegeln und Mörtel – es geht um den Bau eines „Wir-Gefühls“. Der Bauwagen steht dafür, dass wir im Unvollkommenen vollkommen sind. Wir bringen unsere Unterschiede, Erfahrungen, Sichtweisen und manchmal auch eben diese Unvollkommenheit mit – und genau darin liegt unsere Stärke.
Das ist eine besondere Haltung, die uns verbindet: die Bereitschaft, im Kleinen, im Einfachen und manchmal auch im Großen und Anstrengenden, kurzum im täglichen Miteinander zu wachsen. Die wahre Innovation des Bauwagen-Projekts liegt darin, dass hier ein Ort entstanden ist, an dem Angebote nicht vorgegeben werden, sondern sich aus den Bedürfnissen und der Dynamik der Gemeinschaft entwickeln.
Das Projekt ist Teil der Initiative ZusammenWir, deren Ziel es ist, über das Bauwagen-Projekt hinaus „Wir-Momente“ und Zusammenwirken im Quartier zwischen Menschen, Initiativen, Trägern und Kirchen zu fördern.
Schierwagen: Zum Beispiel?
Lühmann: Eines meiner Lieblingsformate ist „Hi Five – Nachbarschaft hoch fünf“. Hierbei haben fünf Nachbar*innen, die sich vorher nicht kennen, die Möglichkeit, sich auf ein Experiment einzulassen, indem sie fünf Monate in die Lebenswelten der anderen vier eintauchen und gemeinsam fünf „Wir-Momente“ planen und umsetzen.
Auftakt des Experiments ist das erste „Blind Date“ in der Bubble, anschließend organisieren wir gemeinsam kleine Nachbarschaftsformate, die zeitlich begrenzt sind – und genau das macht sie so wirkungsvoll: Sie sind verbindlich, aber nicht überfordernd, öffnen die Tür zu neuen Welten.
Die Idee dahinter ist, dass wir mit diesen Begegnungen nicht nur Verständnis füreinander schaffen, sondern darüber hinaus echte Verbindungen durch ein bewusstes Miteinander und das Entdecken neuer Perspektiven.
Ein besonders in der heutigen Zeit wichtiges Format ist „MitGefühl im Quartier“, wo wir unsere Seelsorgekompetenzen bündeln und einen Workshop anbieten, bei dem die Teilnehmenden lernen, wie sie mit Empathie aufeinander zugehen, respektvolle Gespräche führen und gegenseitiges Vertrauen aufbauen können. Hierbei gibt es praxisorientierte Übungen und einen offenen Austausch über kulturelle Unterschiede.