Von der Vielfalt
Über Familienformen und Lebensweisen berichtet die Bibel in großer Vielfalt. Wer die Schriften der Hebräischen Bibel und des Neuen Testaments genau studiert, macht erstaunliche Beobachtungen: So steht im zweiten Schöpfungsbericht der Satz, der heute oft bei Trauungen gesagt wird: „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen und sie werden ein Fleisch sein“ (1. Mose 2). Der Mann verlässt seine Herkunftsfamilie zugunsten der Familie seiner Frau. Ganz anders als es unserer mitteleuropäischen Denkweise entspricht, nach der eine Frau in die Familie ihres Mannes einheiratet.
Im 1. Buch Mose steht kein Wort von Ehe. In einer anderen Geschichte wird das Wort „anhängen“ für die Beziehung zwischen Ruth und Naomi verwendet. Zwei Frauen unterschiedlicher Generationen, nicht blutsverwandt, teilen ihr Leben. Die Familienerzählungen der Abrahams- und Jakobsgeschichte setzen den patriarchalen Großfamilienverband und die Vielehe voraus und erzählen beispielsweise mit Selbstverständlichkeit von der Sklavin Hagar als Leihmutter. Niemand würde heute auf den Gedanken kommen, daraus ein christliches Familienbild herzuleiten.