Kirche & Grenzpolitik

Was sagt Kirche eigentlich zu: Zurückweisungen an Grenzen?

Eine Deutschlandfahne und ein Schild Bundesrepublik Deutschland hinter einem Stacheldraht-Grenzzaun.

Im Namen der Menschenwürde

Die Diskussion um Grenzpolitik ist mehr als eine juristische Frage. Aus christlicher Perspektive geht es um Menschenwürde, Verantwortung und Gerechtigkeit. Hier beleuchten wir kirchliche Positionen zur aktuellen Entwicklung – theologisch fundiert, menschenrechtlich begründet.

Politische Pläne mit ethischer Brisanz

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag klar positioniert: Zurückweisungen an den deutschen Staatsgrenzen sollen künftig auch dann möglich sein, wenn Menschen Asyl beantragen. Was auf den ersten Blick nach Ordnung und Kontrolle klingt, wirft bei genauerem Hinsehen tiefgreifende ethische und rechtliche Fragen auf – und trifft auf deutlichen Widerspruch der Evangelischen Kirche.

Wer Schutzsuchende an der Grenze abweist, ohne ihren Antrag zu prüfen, verletzt Menschenrechte und steht im Widerspruch mit dem europäischen Asylrecht. Christoph Johannsen von der Fachstelle Migration und Asyl im Kirchenkreis Hamburg-Ost bringt es auf den Punkt: „Dieses Vorgehen ist rechtswidrig, wie auch das Verwaltungsgericht Berlin nun festgestellt hat. Das deutsche Asylgesetz erlaubt zwar Zurückweisungen aus sicheren Drittstaaten. Das wird aber von den europäischen Regelungen überlagert, die mindestens eine Prüfung der Zuständigkeit für das Asylverfahren erfordern.“

Es geht um mehr als Paragrafen

Doch es geht um mehr als Paragrafen. Es geht um Menschen. Um ihre Geschichten, ihre Fluchtgründe, ihre Hoffnung auf Schutz. Und es geht um unser Menschenbild. Die Evangelische Kirche erinnert daran, dass alle Menschen – unabhängig von Herkunft oder Status – die gleiche Würde besitzen. Diese Überzeugung ist tief in der biblischen Tradition verwurzelt. In Exodus 22,20 heißt es: „Einen Fremden sollst du nicht bedrängen und ihn nicht unterdrücken; denn ihr seid auch Fremde gewesen im Land Ägypten.“

Christoph Johannsen: „Ausgrenzung ist eine fatale Antwort auf die existentiellen Nöte von Menschen auf der Flucht. Ein starker Rechtsstaat muss Menschen unterstützen, ihre Rechte einzufordern. Ein Ankommen unter Wahrung menschwürdiger Bedingungen ist dafür wesentlich.”

Auch die EKD-Ratsvorsitzende und Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs äußert sich in diesen Wochen deutlich: „Es scheint, dass der Ruf nach Abschottung gewinnt und der Schutz der Grenzen wichtiger ist als der der Menschenwürde.“ Und: „Alle Geflüchteten unter Generalverdacht zu stellen, ist ein Zerrbild. Unsere Aufgabe ist es, Vorurteile abzubauen und die Rechte der Schwächeren zu stärken.“

Ethischer Rückschritt statt humaner Fortschritt

Diese Haltung ist unbequem. Sie widerspricht dem politischen Zeitgeist, der zunehmend auf Abgrenzung setzt. Doch genau deshalb ist sie so wichtig. Die Kirche sieht sich in der Pflicht, für die Schwächsten einzutreten – auch gegen Widerstände. In einer aktuellen theologischen Begründung des Kirchenasyls etwa heißt es unmissverständlich: „Ein Rechtsstaat braucht immer auch Menschen, die auf bestehende Ungerechtigkeiten hinweisen und sie überwinden.“

Anne Harms von fluchtpunkt, Kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge in Hamburg, beobachtet, dass der Respekt vor nationalen und internationalen Menschen- und Bürgerrechten seit Jahren abnehme. „Das betrifft nicht nur Geflüchtete, sondern inzwischen auch Bürgergeld-Empfänger*innen. Wenn auch die Parteien der so genannten Mitte systematisch und wissentlich gegen EU-Recht und das eigene Grundgesetz verstoßen, ist das ein lautes Alarmsignal. Wer Demokratie und Rechtsstaat wirklich verteidigen will, stellt sich deshalb immer vor die Schwächsten in der Gesellschaft. Das war und ist erste kirchliche Aufgabe.“

Zurückweisungen an der Grenze mögen politisch opportun erscheinen. Aus christlicher Sicht aber sind sie ein ethischer Rückschritt. Und die Kirche wird nicht schweigen, wenn Menschenwürde auf dem Spiel steht.

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