10.07.2019
Künstliche Intelligenz

"Menschen haben alles Mögliche schon vergöttert"

Geschichte
Ein Segensroboter in der Hauptkirche St. Nikolai

Die Beziehung zwischen Mensch und Maschine

An der Universität Hamburg beschäftigt sich der Theologe Christoph Seibert auch mit Künstlicher Intelligenz. Ist die Beziehung zwischen Mensch und Maschine vergleichbar mit der zwischen Mensch und Gott? Evangelische Kirche Hamburg hat nachgefragt.

Deliah Cavalli-Ritterhoff: Was macht aus Ihrer Sicht die Beziehung zwischen Mensch und Maschine – im Vergleich zu unserer Gottesbeziehung – aus?

Prof. Dr. Christoph Seibert: Für mich ist die Beziehung, die ich zu einer Maschine eingehe, immer eine instrumentelle Beziehung. Sie dient dem Zweck der Lebenserleichterung. Ich glaube aber nicht, dass unsere Beziehung zu Gott eine solche ist. Denn sie ist keine Beziehung, die ihn zu einem Mittel macht, sondern eine Art Liebesbeziehung.

Wenn die Beziehung zu einer Maschine nicht mehr ein Mittel für etwas anderes ist, sondern einen Selbstzweck erfüllt, dann sehe ich eine Grenze überschritten. Dann wären auch Phänomene wie eine echte Liebesbeziehung zu einer Maschine denkbar und wir müssten uns fragen: Welche Erfahrungen mit Menschen führten dazu, dass es dazu kommen konnte? Ist es vielleicht das Versprechen einer „perfekten Beziehung“? Das können sich Menschen nicht geben. Als Menschen müssen wir Ambiguitäten aushalten und lernen, mit Enttäuschungen, Zweideutigkeiten und Spannungen umzugehen. Wir können voneinander keine Perfektion erwarten.

Es ist wichtig, dass der Mensch menschlich bleibt.

Christoph Seibert
Foto von Universitätsprofessor Christoph Seibert

Cavalli-Ritterhoff: Vertrauen wir Maschinen aufgrund ihres Wissens und Könnens vielleicht zu sehr oder „vergöttern“ sie sogar?

Seibert: Maschinen können vielleicht schneller Daten verarbeiten. Sie wissen und leisten sicherlich mehr in gewissen Bereichen. Aber menschliche Intelligenz umfasst noch anderes. Sie hat eine emotionale Dimension und schließt Intuition und Kreativität mit ein. 

Ich glaube nicht, dass Maschinen in absehbarer Zeit wirklich an die Stelle dessen treten, was wir am Menschen so sehr schätzen… Gleichzeitig besteht natürlich die Gefahr, sie zu vergöttern. Denn Menschen haben alles Mögliche schon vergöttert – und davon können gerade wir Deutschen ein Lied singen. Also warum soll er nicht auch Maschinen vergöttern? Diesen Spielraum haben wir.

Cavalli-Ritterhoff: Es gibt ja bereits die „Way of the Future Church“, in deren Zentrum eine KI-Gottheit steht…

Seibert: Ich halte das für eine Spinnerei. Es ist natürlich nachvollziehbar, weil Menschen ihr „Herz“ an alles Mögliche hängen. Aber ich finde, dass dem zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Man sollte lieber auf andere Sachen achten.

Cavalli-Ritterhoff: Wie kann Theologie denn die Weiterentwicklung von KI mitgestalten?

Seibert: Die Theologie hat wie die Philosophie die besondere Eigenart, dass sie auf das Ganze achtet. Diese Ausrichtung sollte sie nicht verlieren. Wir müssen zeigen, was Maschine ist – und was mehr als Maschine ist. Und wir müssen deutlich machen, warum es wichtig ist, dass der Mensch menschlich bleibt.

Gleichzeitig dürfen wir nicht alles „verteufeln“, sondern es muss darauf geachtet werden, dass es eine KI-Entwicklung gibt, die lebensdienlich ist. Dazu gehört auch, dass nicht nur bestimmte Eliten, sondern auch die Breite der Bevölkerung von ihr profitieren kann. Das ist eine wichtige Frage für die Zukunft! Und schließlich hat Theologie immer auch eine Art „Wächteramt“ – eine kritische Funktion – wenn es eben beispielsweise zu Vergötterungstendenzen kommt. Das alles können wir in die Debatte einbringen.

Cavalli-Ritterhoff: Vielen Dank für das Gespräch!

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